BGH: Hinweispflicht des Gerichts bei formwidriger elektronischer Einreichung
Gerichte müssen bei elektronisch eingereichten Schriftsätzen offensichtliche formale Mängel zeitnah prüfen und die Parteien darauf hinweisen, um deren Recht auf effektiven Rechtsschutz zu wahren. Unterbleibt ein solcher Hinweis, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger gegen ein Urteil des LG Köln Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift wurde aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) eines Kanzleikollegen versandt, jedoch nur einfach elektronisch signiert und nicht qualifiziert signiert. Zudem stimmte die signierende Person nicht mit dem Versender überein. Das OLG Köln verwarf die Berufung als unzulässig und lehnte Wiedereinsetzung ab. Der Kläger legte Rechtsbeschwerde ein.
Der BGH hob die Entscheidung auf. Zwar sei die Berufungsfrist nicht gewahrt worden, da die Berufungsschrift nicht den Anforderungen des § 130a Abs. 3 ZPO entsprach: Ein elektronisches Dokument, das aus einem beA versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, sei nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.
Gleichwohl gewährte der BGH die Wiedereinsetzung. Zwar folge aus der verfassungsrechtlich begründeten Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eingereichter Schriftstücke sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch einen entsprechenden Hinweis auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken. Dennoch dürfe eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihre Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang bei Gericht zur Kenntnis genommen werden und offensichtliche äußere formale Mängel dabei nicht unentdeckt bleiben. Unterbleibt ein gebotener Hinweis, sei der Partei Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen müssen, dass es der Partei noch möglich gewesen wäre, die Frist zu wahren.
Mit Blick auf den Transfervermerk einschließlich des darin enthaltenen „Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises“ bestehe eine einfache und wenig Zeitaufwand erfordernde Möglichkeit zu prüfen, ob ein aus einem beA versandter Schriftsatz einfach elektronisch signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht wurde. Hierzu gehöre auch die Prüfung, ob die Person, die das Dokument elektronisch signiert hat, mit derjenigen identisch ist, die Inhaberin des beA ist. Es stelle keine nennenswerte Belastung für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts dar, zeitnah nach Eingang eines elektronischen Dokuments zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Übermittlung erfüllt sind. Für die danach gebotene äußerliche Prüfung des Transfervermerks genüge in der Regel ein Zeitraum von zehn bis zwölf Kalendertagen.
BGH, Beschluss vom 20.8.2025 – VII ZB 16/24